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THEMA
PERRY RHODAN


Perry Rhodan

Zeichnung: (c) Ralph Niese

 

Rückkehr ins Raumschiff Rosengarten


Im Oktober 1980 erschien der eintausendste Roman der Perry-Rhodan-Serie. Ende des Monats fand dann im Kongresszentrum Rosengarten in der "Quadratestadt" Mannheim der erste "Perry-Rhodan-Weltcon" mit tausenden Besuchern statt. Auch ein 13-jähriger Perry-Fan aus Bremen fuhr hin und erlebte drei tolle Tage in Terran... pardon, Mannheimia. Zum 50-jährigen Jubiläum der Serie kehrte Perry im Jahr 2011 nach Mannheim zurück zu einem neuen Weltcon, und der kleine Junge war wieder dabei. Ein subjektiver Bericht von Olaf Brill.


(c) Olaf Brill

K. H. Scheer, Willi Voltz, Clark Darlton, Ernst Vlcek
Foto: (c) Olaf Brill

Einunddreißig Jahre danach

Mit Perry zurück in den Rosengarten nach Mannheim. Das, so ist mir klar, wird nicht nur eine Reise in die Zukunft, sondern eine Rückkehr in die Jugendzeit. Denn hier habe ich die tollsten drei Tage des Jahres 1980 verbracht. Hier begrüßte uns Willi Voltz bei seiner Eröffnungsrede als "Terraner". Hier begegnete ich auf den Gängen Walter Ernsting und Harry Harrison. Hier sah ich abseits der Hauptveranstaltung mit Dutzenden anderer Fans Monate vor der deutschen Kinopremiere "Das Imperium schlägt zurück" auf Video (oh Schreck, dabei muss es sich ja wohl um eine Raubkopie gehandelt haben!). Viele schöne Erinnerungen sind mit dem Rosengarten in Mannheim verbunden, und ich bin begierig darauf, wieder in demselben Mozartsaal mit seinen holzgetäfelten Wänden zu sitzen und das Perry-Team leibhaftig auf der Bühne zu erleben.

So bin ich fast genau einunddreißig Jahre später wieder auf dem Weg nach Mannheim. Wir schreiben Freitag, den 30. September 2011. Unglaublich, dass es Perry Rhodan immer noch gibt und dass ich an diesen magischen Ort zurückkehren kann. Ich bin keine 13 mehr, und die Zeiten haben sich geändert: Wir haben Internet und Bundeskanzlerin, Mauerfall und 9/11, die Ära der Space Shuttles ist vorbeigegangen, ICE-Ticket und Hotel werden online gebucht und während der Fahrt nach Mannheim kann ich auf meinem Handy die Hörbuch-Lesung des ersten Romans der neuen Serie "Perry Rhodan Neo" hören, der an diesem Morgen gerade erst erschienen ist. Freddie Mercury ist tot, aber Liz II ist noch Queen, und Hans-Joachim Thunacks Fanfilm "Der Einsame der Zeit" steht immer noch kurz vor der Premiere. Manches ändert sich eben doch nicht.


Das Raumschiff hebt ab

(c) Roger Murmann

Hinein in den Rosengarten:
Im Vordergrund: Hamburger Fan mit Reporterin
Im Hintergrund: Yours truly is entering the building
Foto: (c) Roger Murmann

1980 waren wir jüngeren Fans in der Jugendherberge Heidelberg untergebracht, und ein Shuttle-Bus brachte uns jeden Morgen und Abend hin und zurück. Diesmal quartiere ich mich in ein Hotel genau zwischen Bahnhof und Rosengarten ein, sodass beide Orte bequem zu Fuß in wenigen Minuten erreichbar sind. Empfohlen hat das Hotel Kurt Kobler, Herausgeber einer inzwischen fünfbändigen Gedenkschrift zu Perry-Gründervater K. H. Scheer, und Kurt und seine Mitstreiter vom > "Terranischen Club Eden" treffe ich bereits beim Einchecken in der Hotel-Lobby. Auch im Rosengarten laufe ich gleich Bekannten über den Weg: Günther Freunek vom > "Fandom Observer", den ich nie zuvor persönlich getroffen habe, und Maikel Das, Verleger, Chefredakteur und Zeichner der > "Alligator-Farm", mit dem mich seit Jahren eine fabelhafte Zusammenarbeit für die Perry-Comics verbindet (und mit dem ich 2012 einen Perry-Western-Comic mache). Wir plaudern ein wenig, und dann schaue ich mir noch vor dem offiziellen Con-Auftakt einen kleinen Programmpunkt an, der in der ersten Etage in der "Multimedia-Lounge" stattfindet, die während der ganzen Großveranstaltung von der wunderbaren Miriam Hofheinz betreut wird: Autor Christoph Dittert erzählt von seinem neuen "???"-Buch, ja genau: die Serie um die drei Detektive Justus, Bob und Peter, die es nun auch schon fast seit fünfzig Jahren gibt. Unter dem Namen Christian Montillon schreibt Christoph auch für "Perry Rhodan".

Samstag ist der Haupttag des Cons. Der Freitag ist selbst von den Veranstaltern als "Prolog" abgetan worden, der Sonntag zum Ausklingen gedacht. Es ist Samstag, der 1. Oktober 2011, und während die Veranstaltungen des Vortags in der kleinen Multimedia-Lounge und dem mittelgroßen Musensaal stattgefunden haben, geht es nun endlich auch in den Mozartsaal. Dorthin, wo Willi Voltz uns 1980 als "Terraner" begrüßt hatte. Die große Eröffnungsveranstaltung beginnt mit genialen Ansprachen, diesmal von Perry-Rhodan-Autor Wim Vandemaan alias Hartmut Kasper, der wie immer feinsinnig und humorvoll mal eben durch fünfzig Jahre Perry-Geschichte reitet (und ein paar Seitenhiebe gegen Investmentbanker verteilt), und von Bestseller- und Perry-Gastautor Andreas Eschbach, der uns vorrechnet, dass "Perry Rhodan" seit Erfindung der Schrift die längste fortlaufend erzählte Geschichte der Welt ist: "Es ist sicher die eine oder andere bessere erzählt worden, das wollen wir auch nicht abstreiten. Aber keine längere – nicht mal annähernd."


(c) Roger Murmann

Teresa Lukas als Tres Alucc
Foto: (c) Roger Murmann

Der Sound der Cosmolodics

Zum gelungenen künstlerischen Gesamteindruck des Cons gehört, dass dieser nicht nur einen "Look", sondern auch einen "Sound" hat: Auf der Bühne stehen immer wieder, als Perry-Rhodan-Figuren kostümiert, die "Cosmolodics", eine österreichische Kapelle, die für Perry Rhodan und den Con einen neuen, zeitgemäßen Sound kreiert hat – und eine neue Hymne: "Fly To The Stars". Dahinter steckt als Komponist und Texter der Perry-Rhodan-Autor, Sänger, Kabarettist und "künstlerischer Leiter" des Weltcons Leo Lukas, der auch gleich seine talentierte Familie mitbringt: Leos Partnerin Jasmin und seine Tochter Teresa sind die Sängerinnen der Cosmolodics, und Teresa, die als blauhäutige, rothaarige Ferronin Tres Alucc auftritt, verbindet Fiktion, Bühnenshow und Realität. Denn nicht die Romanfigur Tres ist Vorbild für Teresas Kostümierung, sondern umgekehrt: die wirkliche Person diente als Vorbild für die fiktive Figur, die von Leo in Perry-Rhodan-Roman Nr. 2601 als ferronische Sängerin in die Handlung eingeführt und auf dem Titelbild von Heft Nr. 2602 abgebildet wurde.

Der Sound, den Leo mit den Cosmolodics für Perry geschaffen hat, wird nicht nur in Zukunft die Erinnerung an diese drei Tage in Mannheim wecken, sondern gefällt mir auch wirklich gut. Das Stück > "In memoriam" klingt schon wie ein Klassiker. Leo hat es geschrieben, um die verstorbenen Perry-Mitarbeiter zu ehren:

Thank you for showing me the Milky Way,
For telling stories ‘til the break of day,
Tales of tomorrow, both fantastic and true…
There’s more, but first and foremost:
Thank you for being you.


Eine legendäre Begegnung und eine Nacht auf Lepso

(c) Florian Breitsameter

Dirk van den Boom et moi
Foto: (c) Florian Breitsameter

Dann, beim Schlendern durch die Gänge des Rosengartens, findet endlich eine Begegnung statt, auf die ich mich schon lange gefreut habe: Ich weiß aufgrund der modernen Kommunikation (Facebook, Blogs, Con-Website), dass > Dirk van den Boom geplant hat, am Samstag nach Mannheim zu kommen. Dirk und ich kennen uns seit den Achtzigern (eine Erinnerung von mir daran ist in > Fandom Observer Nr. 250 erschienen). Damals haben wir als "Chaos-Fraktion" des Fandoms am laufenden Band allerlei Klamauk getrieben und uns über alles und jeden lustig gemacht. Nur: Wir standen in "Briefkontakt" und hatten uns noch niemals persönlich getroffen. Jetzt ist es soweit: Dirk und ich verstehen uns auf Anhieb prächtig und plaudern über alte Zeiten. Florian Breitsameter vom "Fandom Observer", den ich bei der Gelegenheit auch persönlich kennen lerne, steht plötzlich da und macht ein Foto. Und Dirk hat noch eine tolle Überraschung: Er führt mich zu einem Tisch, und dort steht Dieter Schmidt, damals Delmenhorst, jetzt Hamburg, den ich seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich bin keiner dieser notorischen Hugger, aber diesmal muss eine kleine Umarmung einfach sein. Auch bei uns stimmt die Chemie auf Anhieb wieder, und während Dieter redet, erkenne ich, dass er noch immer der kluge und gebildete Kerl ist, den ich vor drei Jahrzehnten kennen und schätzen gelernt habe.

Am Abend treffe ich mich noch einmal mit meinen Alligator-Kollegen Maikel Das und Kai Hirdt in der Bar der Multimedia-Lounge. Auch Marc Herren gesellt sich zu uns, der schon zum Alligator-Team gehörte, bevor er Perry-Romane schrieb. Dieser Tage hat er natürlich noch einen ganz anderen Job: Marc ist der große Cheforganisator des Weltcons. "Schläfst du überhaupt?" frage ich. "Viel", antwortet er. "Aber nicht in diesen Tagen!" Ich muss mich verabschieden und noch etwas aus dem Hotel holen. Leo Lukas hat zur Abendshow "Eine Nacht auf Lepso" gerufen, und das soll – eine Kostümparty werden! Die Idee ist: Wenn Star-Wars-Fans in vollem Kostüm auf Cons erschienen, dann sollten Perry-Fans sowas doch wohl auch drauf haben. Und wenn jemand vom Format Leos einen solchen Ruf aussendet, dann muss man dem einfach Folge leisten. Also habe ich mir aus Alltagsutensilien wie Maleranzug, Trinkbecher-Deckeln und Joghurtflaschen einen Weltraumanzug gebastelt. Als ich mir das Ding im Pressezimmer überziehe, schaut mich Verlags-Mitarbeiter Björn Berenz an, als habe er einen leicht Verrückten vor sich. "Du bist ein erwachsener Mann", denke ich, "aber das ziehst du jetzt durch." Gottseidank sind auch noch andere Con-Besucher tatsächlich im Kostüm erschienen.


Major Tom trifft den Herrn aller Dinge

Die "Cosmolodics" spielen, und Leos blaue Tochter singt: "Ground control to Major Tom". Sie war 1980 noch gar nicht geboren, aber das ist jetzt meine ultimative Zeitreise zurück in jenes Jahr: Perry und Bowie – das waren wohl die beiden Dinge, mit denen ich mich damals am meisten beschäftigt habe. Und "Space Oddity" (wie der Song offiziell heißt) war ja auch Bowies Weltraum-Hit. Das passt zusammen, und plötzlich merke ich, dass ich in meinem weißen Astronautenanzug ja eigentlich als Major Tom kostümiert bin. Zu den anderen Verkleideten gehört Perry-Autor Hubert Haensel, der sich mit rotem Bürstenhaarschnitt in einen fabelhaften Bully verwandelt hat und fleißig Fotos schießt. Und Autorin Uschi Zietsch verkörpert offenbar eine Figur namens Enervira Bombasta. Als ich sie als Hexe aus dem "Zauberer von Oz" anspreche, ernte ich einen bösen Blick, den Uschi mir natürlich nicht als Uschi, sondern einzig und allein in ihrer Rolle zuwirft.

(c) Hubert Haensel

Herr aller Dinge und Major Tom
Foto: (c) Hubert Haensel

Fotos werden gemacht. Ich sage: "Wenn du mich so fotografieren willst, dann will ich wenigstens, hmm, neben Andreas Eschbach stehen." Hubert sagt gut gelaunt: "Da ist er ja." Ich sage: "Äh was?" Tatsächlich, da ist er: Ich stehe direkt neben dem großen Andreas Eschbach (> "Herr aller Dinge") und sage verdutzt: "Hallo Andreas, ich will ein Bild mit dir" (oder etwas in der Art). Über Andreas Eschbachs Kopf erscheint eine Gedankenblase: "Was ist das für ein Kerl? Warum habe ich nur den VIP-Bereich verlassen?" Aber das Foto wird gemacht.

Am späten Abend entledige ich mich des Kostüms. Es ist der letzte warme Spätsommerabend des Jahres 2011, und so gehe ich im T-Shirt in die Bar des Hotels Dorint, wo auch ein Großteil der Autoren und Con-Organisatoren den Abend verbringen. Ich treffe mich mit Maikel und Kai auf ein Bier. Der unverkennbar aus Wien stammende Fan, Organisator und Autor Roman Schleifer kommt vorbei und spendiert eine Tüte Chips. Auch er ist nicht nur eine Person aus Fleisch und Blut, sondern hatte schon einmal einen Auftritt als Figur in einem Perry-Roman: Sein Landsmann Michael Marcus Thurner hat ihn in Heft Nr. 2545 verewigt.


Abschied von Mannheim

Viele Begegnungen an diesen drei Tagen. Alte Freunde getroffen, ein paar neue. Allein am Sonntagmorgen ein kleines Gespräch, für das allein ich den ganzen Rest des Wochenendes hätte sausen lassen. Es ist Sonntag, der 2. Oktober 2011. Ein guter Start in den Tag, und der Beginn des Abschieds von Mannheim.

Es findet noch eine große Runde auf der Bühne mit allen Autoren statt. Moderator Mike Hillenbrand macht angesichts des Körperumfangs mancher Autoren den Scherz, Uwe Anton habe sich verbeten, dies als "Elefantenrunde" zu bezeichnen. Das Perry-Team präsentiert sich dabei als sympathische Großfamilie, und in der Fragerunde gibt es so manches humorvolle Bonmot, wenn etwa Hartmut Kasper auf die Frage, warum es in jedem Perry-Zyklus um die Langzeitpläne kosmokratischer Superintelligenzen gehen müsse, antwortet, es hätte natürlich seinen Reiz, mal einen Zyklus zu füllen mit den Kurzzeitplänen geistloser Ohnmächtiger. Leo Lukas ist in der Nacht offenbar verschütt gegangen. Doch er taucht später wieder auf, und ich treffe ihn und seinen Landsmann und Kollegen Michael Marcus Thurner bei einem kleinen Programmpunkt namens "Kaffeeklatsch": Während des ganzen Wochenendes treffen sich Perry-Macher in kleinen Runden mit Con-Besuchern und plaudern mit ihnen über ihre Arbeit. Eine nette Idee, abseits des Rummels kleine persönliche Begegnungen zwischen Fans und Künstlern zu schaffen. Ein großes Thema des Wochenendes ist die Neuerzählung "Perry Rhodan Neo", deren erster Band gerade erschienen ist, und Leo gewährt uns Einblick in einen künftigen Roman, in dem Clark Flipper in einem arkonidischen Raumanzug Katz und Maus mit der chinesischen Luftwaffe spielt. Es hat ihn einige Zeit gekostet, so erzählt Leo, zu recherchieren, welche Flugeigenschaften chinesische Luftfahrzeuge im Jahr 2036 haben könnten, um diese realistisch zu beschreiben. Der Roman erscheint vier Wochen später unter dem Titel "Der Teleporter".

Mit fast zwei Stunden Verspätung endet der Con, und ich fühle die leise Verblüffung, dass die drei Tage nun schon wieder vorbei sind. Sie haben einen Haufen neuer Erinnerungen erzeugt, so wie schon der Con im Jahr 1980. Und wie damals muss das Raumschiff Rosengarten nun wieder auf der Erde landen. Ich erinnere mich daran, wie es damals war, als ich nach diesen drei Tagen wieder zurückzukehren musste in die alte Wirklichkeit, die mir auf irgendeine Weise viel irrealer vorkam als zuvor. Jetzt sitze ich wieder im Zug und habe diesmal auf meinem Walkman-Handy die Soundtracks "Songs in the Key of X" und "Until the End of the World" dabei. Ich höre Elvis Costellos Adaption des alten Kinks-Songs "Days":

Thank you for the days
Those endless days, those sacred days you gave me
I’m thinking of the days
I won’t forget a single day believe me

Irgendwie passt das.



Text: (c) Olaf Brill
Veröffentlicht am 2. November 2011